4. Januar: Führung Friedhof Columbiadamm

Am Sonntag, den 4. Januar, 11 Uhr, findet wieder eine Führung über den Friedhof Columbiadamm (Berlin) mit mir statt (nächster Termin: 8. Februar). Interessenten werden gebeten, sich unter der Nummer (030) 6809-2535 beim Museum Neukölln anzumelden. Treffpunkt ist der Haupteingang des Friedhofs (Columbiadamm 122). Dauer: etwa 2 Stunden, Kostenpunkt: 5,- €, ermäßigt 3,50 €, weitere Informationen hier.

Wenn ick ma tot bin …

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Blandine Ebinger, Gesang und Friedrich Hollaender, Klavier

auf der CD: Populäre jüdische Künstler: Berlin, Hamburg, München – Musik & Entertainment 1903 – 1933, Hamburg 2001

Soldat Stefan Raab

Stefan Raab ist ein Kotzbrocken. Seine stets selbst angelachten und erklärten “Witze” sind keine. Humor liegt dem Fleischer im allgemeinen eben nicht gerade im Blut. Doch für einige existentielle Lebensfragen erhielt der Metzgergeselle im Familienbetrieb ausreichend Anschauungsunterricht. Im Mediengeschäft sollte sich dieser für ihn als sehr nützlich erweisen.

Früher kannte man eine fast niedlich anmutende Ellenbogengesellschaft, heute reicht das längst nicht mehr. Stefan Raab ist der prototypische Vertreter einer neomedialen Brachialpräsenz; er ist das hormonschwangere Schlachtschiff der Spaßgesellschaft des 21. Jahrhunderts (und dabei seltsam asexuell).

Das “freundliche Desinteresse” (H. Köhler) dieser Spaßgesellschaft an der Bundeswehr reicht nun nicht mehr, “unsere” “Freiheits”-Kämpfer am Hindukusch (P. Struck) und in aller Welt verlangen aktive Affirmation. Raab weiß, wo er seinen Mann zu stehen hat. Y., das Magazin der Bundeswehr, fragte ihn jüngst:

Könnten Sie sich denn vorstellen, als Entertainer zur Truppenbetreuung nach Afghanistan zu kommen?

Antwort Raab:

Das ist durchaus vorstellbar […].

Bis es soweit ist, gab Raab an seiner tv-totalen Heimatfront der Big Band der Bundeswehr in den vergangenen Tagen Gelegenheit mit flottem Sound das Trugbild einer demokratischen Weltverbesserungsarmee in Friedensmission zu festigen.

Und man hätte drauf kommen können: Das Orchester ist natürlich eine sozialdemokratische Erfindung. Der der Bundeswehr und ihrer Vorgängerarmee eng verbundene damalige Verteidigungsminister Helmut Schmidt sorgte 1970 für dessen Gründung. “Sozialdemokratie, Militär und Volksschule, wie sind sie identisch”1, wußte Carl Einstein schon 1914.

Doch zurück zu Stefan Raab. Bei ihm, so Thomas Wagner in junge Welt, sei das Orchester

offensichtlich an der richtigen Adresse. Sein Publikum ist überwiegend im wehrfähigen Alter, und so umfänglich wie der dauergrinsende Showmaster hat sich seit langem kein Unterhaltungskünstler mehr für die Rekrutierungsmaßnahmen der heute wieder Kriege führenden Streitkräfte einspannen lassen. […]

Daß er selbst eine treibende Kraft des Militainment im deutschen Fernsehen ist, hat Stefan Raab wiederholt unter Beweis gestellt. Erst im Juni dieses Jahres hat er sich als Tubist beim Musikkorps der Bundeswehr in Siegburg gezeigt. Anlaß war die Teilnahme dieser Einheit an der von Raab initiierten Autoball-Europameisterschaft.

Wie solche Kooperationen angeleiert werden, darüber gibt die Homepage seiner Sendung bemerkenswert offenherzig Auskunft. Auf Einladung von Oberleutnant zur See Stefan Wolter von der Marinefliegerflottille der Bundeswehr war Raab mit seinem Filmteam am 15. August 2000 nach Wilhelmshaven gereist, um für seine Sendung “TV Total” die Rubrik “Raab in Gefahr” zu drehen. Zwecks Nachwuchswerbung hatte die Marine im Rahmen der Expo 2000 dort einen Pavillon aufgebaut. Die Grundidee der Story war dem Raab-Team von seiten der Marine unterbreitet worden.
[Links: URINTINTE]

Soldat Raab macht sich mit dieser Art von Propaganda zum männlichen Pendant dessen, was Max Goldt einmal so hübsch Infotainmentmuschi nannte: zum Militainmentpimmel.

[Frohes Fest!]

“Wie werden Sie Christmas verbringen”, fragt er.
“Fensterputzenderweise”, antwortet Thea.
“Oh”, meint Alfred, “dann wird es sehr kühl in Ihrer Wohnung sein.” “Das letzte Mal sind sie im Sommer geputzt worden. Im Sommer vor zwei Jahren. Dann verließ mich meine Raumpflegerin. Und, ob sie es glauben oder nicht! Sie sehen nicht schlimmer aus als seien sie acht Wochen nicht geputzt.”
Alfred kennt das Wort Raumpflegerin nicht. Er denkt an space cultivation und stellt sich eine Armee von Astronautinnen vor, die auf dem Mars Radieschen sät. In Thea ist eine Eiterbeule aufgestochen worden.
“Wollte Gott!” sagt sie bitter, “es käme mal einer von meinen Leuten und sagte, liebe Thea, ich möchte dir etwas zu Weihnachten schenken. Aber du hast ja alles, was du brauchst, nur deine Fenster, die gefallen mir gar nicht. Ich werde dir mal zwei Stunden meines Lebens schenken und sie putzen.”
“Famos!” freut sich Alfred. “Aber sehr kostbares Geschenk.”
“Ich bin aber dafür”, schaltet sich Kyra ein, “daß Weihnachten abgeschafft wird.”
“Das geht leider nicht”, überdenkt Sigmund, “denn wir können nicht schenken, was wir nicht haben, nämlich Zeit. Wir schenken, was wir haben, nämlich Geld. Nacktes Geld zu schenken ist eine Kränkung. Folglich schenken wir ein Symbol. Auf diese Weise bekommen wir doch, was uns gebührt.”
“Ist das nicht Wahnsinn”, sagt Kyra.
“Im Gegenteil”, sagt Freud, “es ist die Rettung vor dem Wahnsinn. Wenn wir Weihnachten abschaffen, dann würde das Ergebnis der Ausbruch einer allgemeinen Paranoia sein.”

aus: Christa Reinig, Entmannung, Düsseldorf 1976, S. 30f.

7. Dezember: Führung Friedhof Columbiadamm

Am Sonntag, den 7. Dezember, 11 Uhr, findet wieder eine Führung über den Friedhof Columbiadamm (Berlin) mit mir statt. Interessenten werden gebeten, sich unter der Nummer (030) 6809-2535 beim Museum Neukölln anzumelden. Treffpunkt ist der Haupteingang des Friedhofs (Columbiadamm 122). Dauer: etwa 2 Stunden, Kostenpunkt: 5,- €, ermäßigt 3,50 €, weitere Informationen hier.

14. November: H.J. Psotta liest aus ASFIXIA

Im Rahmen der Ausstellung HELDENGEDENKEN liest Helmut J. Psotta aus seinem unveröffentlichten Roman ASFIXIA.

Im Winter 1969/70 hatte Helmut J. Psotta einen äußerst klaren und symbolhaften Fiebertraum, eine Phantasie, die sich zwischen faschistischer Ästhetik und post-modernem Körperkult bewegt und damit thematisch nahtlos in die Ausstellung HELDENGEDENKEN einfügt.

Er protokollierte sofort nach dem Erwachen die “Handlung”. Knapp 30 Jahre später fand er die Protokolle wieder und erarbeitete auf dieser Grundlage einen Roman, der ebenso als Drehbuch konzipiert ist. Erstmals liest nun Helmut J. Psotta aus ASFIXIA – Der Orpheus-Traum.

Ich kann nur empfehlen sich diesen ungewöhnlichen Abend nicht entgehen zu lassen.

Freitag, 14. November 2008, 19.30 Uhr

studio im hochhaus – kunst- und literaturwerkstatt

Zingster Straße 25, 13051 Berlin (Hohenschönhausen)

Telefon / Fax: + 49(0)30 – 929 38 21

Eintritt: 4,- / erm.: 2,- €

S 75 bis Wartenberg oder Hohenschönhausen; Tram M4, M5 / Ahrenshooper Str.; M4, M17 / Prerower Platz (4 Minuten Fußweg) Kartenvorbestellungen: Mo – Do 11 bis 19 und Fr 11 bis 16 Uhr

Madrigale an Gott

I.

Gott, ändere mich! Ändere meine Sucht,
sterben zu wollen … Aber Du schweigst
über den Wunden des verlorenen Schäfleins,
über dem Sterbenden, der schön
ist von nackter Sehnsucht.
Und nunmehr sind nicht einmal mehr vermessen
meine, des schüchternen Rebellen, Schmähungen:
dort wo Du schweigst,
schweigt mein nicht mehr entrüstetes Herz,
ohnmächtiger Zuschauer,
mitwissender Hüter:
nur daß die Feigheit keine Mäßigung kennt.

II.

Meine lange Vakanz ist zu fröhlich
und meine abgestumpfte Freiheit
im Verachten wird zum
Mißbrauch, stockendes Leben meiner Träume.
Idiotengott, gebiete mir
meine Unaufrichtigkeit und, so ich,
ehrlich, Dich in jeder
meiner Taten schmähe, beschäme mich!
(Du läßt dich schmähen … Bist die Schmähung!
Und kannst mich nicht strafen
noch am Ende schrecken:
der nicht zu Dir betet, ist nicht reif.)

III.

Verstoße oder leite irr den schüchternen Knaben
mit der entfesselten Kunst der Freude
Vergnügen oder Verdruß,
und der Vater ist machtlos mit dieser BLUME.
Nicht der Azur ist schuldig
an seinem Azur, und was nützt,
ihn zu strafen? Er hat kein Herz.
Dann aber: Du ERZEUGER,
töte mich: oder willst Du, daß ich
noch weiter Dich höhne
mit leichter
Arglosigkeit? (Es ist wirklich
ein Kind, das dich fordert.)

IV.

Als noch der Welt das Herz und dem Herzen
die Welt verborgen war, glühte ich, scheu und hingerissen
von stolzer Befriedigung
und mein Leben aus Fehlern war ein Roman …
Ein verlorner Roman
zwischen den glücklichen Phantomen
dessen, der an einer Liebe stirbt, die er nicht kennt.
Jetzt wiederholt das stumme Weiß
dieser letzten Seite, das entblendete
Heute, ein einziges
Wort, ein einziges
Wort, wiederholt wie im Wahn.

V.

Als ich nicht mehr aus Liebe weinte,
sah ich deinen Blitz in meinen Tränen,
nicht Dich, Deinen Blitz, nicht Deine
heiligen Engel, aber doch Deine herzlosen Engel.
Doch die Viole hat gesungen und
verstummen kann sie nicht mehr: sie singt,
sie lästert Dich …
Du willst keinen Gesang, willst nur Treue!
Du verlangst Nüchternheit, ich fürchte sie,
Du verlangst das Vergessen und ich zittre
nur vor Erinnerungen. Darum führt
Dein Licht, das in mir ist, nicht zu Dir.

Pier Paolo Pasolini, 1948/49, nach: derselbe, Die Nachtigall der katholischen Kirche, München 1989, S. 178-183 (Übersetzung von Toni und Bettina Kienlechner)

[Heute vor 33 Jahren wurde Pier Paolo Pasolini ermordet.]