[Frohes Fest!]

“Wie werden Sie Christmas verbringen”, fragt er.
“Fensterputzenderweise”, antwortet Thea.
“Oh”, meint Alfred, “dann wird es sehr kühl in Ihrer Wohnung sein.” “Das letzte Mal sind sie im Sommer geputzt worden. Im Sommer vor zwei Jahren. Dann verließ mich meine Raumpflegerin. Und, ob sie es glauben oder nicht! Sie sehen nicht schlimmer aus als seien sie acht Wochen nicht geputzt.”
Alfred kennt das Wort Raumpflegerin nicht. Er denkt an space cultivation und stellt sich eine Armee von Astronautinnen vor, die auf dem Mars Radieschen sät. In Thea ist eine Eiterbeule aufgestochen worden.
“Wollte Gott!” sagt sie bitter, “es käme mal einer von meinen Leuten und sagte, liebe Thea, ich möchte dir etwas zu Weihnachten schenken. Aber du hast ja alles, was du brauchst, nur deine Fenster, die gefallen mir gar nicht. Ich werde dir mal zwei Stunden meines Lebens schenken und sie putzen.”
“Famos!” freut sich Alfred. “Aber sehr kostbares Geschenk.”
“Ich bin aber dafür”, schaltet sich Kyra ein, “daß Weihnachten abgeschafft wird.”
“Das geht leider nicht”, überdenkt Sigmund, “denn wir können nicht schenken, was wir nicht haben, nämlich Zeit. Wir schenken, was wir haben, nämlich Geld. Nacktes Geld zu schenken ist eine Kränkung. Folglich schenken wir ein Symbol. Auf diese Weise bekommen wir doch, was uns gebührt.”
“Ist das nicht Wahnsinn”, sagt Kyra.
“Im Gegenteil”, sagt Freud, “es ist die Rettung vor dem Wahnsinn. Wenn wir Weihnachten abschaffen, dann würde das Ergebnis der Ausbruch einer allgemeinen Paranoia sein.”

aus: Christa Reinig, Entmannung, Düsseldorf 1976, S. 30f.

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