5 Jahre gönnte ein aus Venezuela über Mexiko und Spanien an den provinziellen Niederrhein gewechselter Fußballer von Weltrang – Juan Fernando Arango Sáenz – der Einöde Mönchengladbachs den Glanz seiner wortlosen Kunst. Nun verläßt der „Huracán del Caribe“ diese Wirkungsstätte und folgt dem Ruf seines ehemaligen Nationaltrainers César Farías zu Xolos de Tijuana nach Mexico.
Linksaußen: Juan Arango – CC BY-NC 2.0 by EDO Photojobs
Als im Sommer 2009 bekannt wurde, daß der 1980 im venezolanischen Maracay geborene Juan Arango für eine nicht unerhebliche Ablösesumme von RCD Mallorca zur Borussia wechseln würde, hatte er den Ruf einer launischen Diva im Gepäck. Gelegentlich genial, aber auch schnell lustlos und eingeschnappt. Mit Schrecken fühlte man sich etwa an den „Stehgeiger“ (jW) Federico Insúa erinnert. Seit Jahren gewöhnt an mit großen Hoffnungen verbundene Fehleinkäufe, wollte sich allzu große Euphorie am Trübsal blasenden Niederrhein nicht breitmachen. Es dauerte dann aber nur 29 Minuten, bis das erste „Arangol“ bejubelt werden durfte. Jenen Zauber, den der Mann mit den schönsten Waden der Liga bereits bei seiner Pflichtspielpremiere im DFB-Pokal versprühte, hatte man rund um den Borussia-Park noch nie, in Mönchengladbach lange nicht erlebt.
Unter der Regie von Trainer Michael Frontzeck konnte der drahtige und wortkarge „Chiller“ alleine das haltlose Trudeln im Abstiegsstrudel nicht verhindern. Sein Genie war schnell allseits anerkannt, seine Freistöße waren bald Legende, doch die Unfähigkeit seines Trainers frustrierte ihn zunehmend. Fast wäre es Frontzeck gelungen, seinem begabtesten Spieler die Lust am Fußball vollständig zu verleiden, ehe er selbst – und gerade noch rechtzeitig – durch den ungleich fähigeren Übungsleiter Lucien Favre ersetzt wurde.
In nahezu aussichtsloser Lage begann der wundersame Aufstieg der Borussia. Zunächst verhinderte man haarscharf den schon sicher geglaubten Abstieg in Liga 2, um eine Spielzeit folgen zu lassen, in der „Borussia Barcelona“ sich blitzsauber in die Qualifikation zur Champions League kombinierte, „Hennes“ Favre in Anlehnung an den unsterblichen Hennes Weisweiler höhere Weihen empfing, Marco Reus zur „Rakete“ mutierte und der bis dahin fußballerisch eher unauffällige Mike Hanke die Saison seines Lebens spielte. Nicht zu vergessen der blutjunge ter Stegen als sicherer Rückhalt im Tor, die stabile Abwehr um Dante, die sorgfältige Abräumarbeit Roman Neustädters und der wieselflinke „Flaco“ Hermann (Arangos Spitzname für den dürren Rechtsaußen) am Flügel. Und Juan Arango wurde inmitten dieses zauberhaften Ensembles – weil den Preußen nun wirklich keine höhere Auszeichnung einfällt – nur noch ehrfürchtig „König“ genannt.
Der Traum in schwarz-weiß-grün währte nur eine Saison, ungezügelte kapitalistische Marktkräfte zerstörten ihn jäh. Der zur Weltklasse herangereifte Reus ging nach Dortmund, Dante zu den Bayern und Neustädter nach Schalke.
Messi, Xavi und Piqué verloren zu haben (wie Favre es metaphorisch formulierte) bedeutete einen enormen Qualitätsverlust, doch nun war es allein Juan Arango vergönnt, dem fußballerischen Mittelmaß Glanzpunkte zu verleihen und zum „Traumtorjäger“ zu avancieren. Sein später Ausgleich in Marseille sicherte das Überstehen der Gruppenphase der so lange ersehnten Europa-League und seine Tore in der Liga (unwiderstehlich etwa die Bogenlampe aus 44 Metern gegen Mainz) bewahrten die Borussia davor, erneut in Abstiegsgefahr zu geraten.
Den größten Erfolg seiner Karriere erlebte er zwar während der Zeit bei Borussia Mönchengladbach, allerdings im Nationaltrikot Venezuelas. Bei der Copa América 2011 gelang den „Vinotintos“ ein sensationeller vierter Platz. Arango wurde wenig später in seinem Heimatland zum besten Fußballer aller Zeiten gewählt. Und als Kapitän des Nationalteams war es auch seine Aufgabe, das Leben von Hugo Chávez nach dessen Tod zu würdigen.
Mit Beginn der gerade beendeten Saison stand ihm in Feingeist Raffael endlich eine Zwillingsseele zur Seite und die rustikale Wucht von Max Kruse ergänzte das neue Dreigestirn glänzend. Letztlich souverän gelang der erneute Einzug in die Europa-League und Arangos Schlußakkord im Borussia-Park war sein wichtiges Kopfballtor zum unverdienten Ausgleich in letzter Minute gegen den VfB Stuttgart. Erst der zweite Treffer für die Borussia, den er nicht mit seinem goldenen linken Fuß erzielte. In Mönchengladbach geht eine Ära zu Ende. Oder, wie auf einem Pappschild am letzten Spieltag in der Kurve zu lesen stand: „Ein Leben ohne Arango ist möglich, aber sinnlos.“