7. September: Führung Friedhof Columbiadamm

Am Sonntag, den 7. September, 11 Uhr, findet wieder eine Führung über den Friedhof Columbiadamm (Berlin) mit mir statt (weiterer Termin: 12. Oktober). Interessenten werden gebeten, sich unter der Nummer (030) 6809-2535 beim Museum Neukölln anzumelden. Treffpunkt ist der Haupteingang des Friedhofs (Columbiadamm 122). Dauer: etwa 2 Stunden, Kostenpunkt: 5,- €, ermäßigt 3,50 €, weitere Informationen hier.

Klein und flach: Heinz von Foerster

Heinz von Foerster ist einer dieser seltenen großartigen Menschen, die man ich nur lieben kann. Es ist Lutz Dammbeck zu danken, daß er ihm mit seinem Streifen Das Netz ganz nebenbei ein filmisches Denkmal gesetzt hat.

Auch diese kleine Pawlow-Parabel ist sehr charmant. Doch noch viel besser als sie zu lesen, ist, sie auf dieser CD zu hören. Zumal sie dort noch mit einer Picasso-Parabel ergänzt wird:

Da hat ein amerikanischer Bildersammler den Picasso besucht. Und jemand sagte einmal zu Picasso – das war er -, daß er doch lieber Bilder von Dingen malen sollte, wie sie wirklich sind – objektive Bilder. Picasso murmelte, daß er nicht ganz sicher wäre, was das sein sollte. Da hat der Mann ein Foto herausgezogen aus seiner Brieftasche und sagt: “Sehen Sie, das meine ich. Das ist ein Bild meiner Frau, wie sie wirklich ausschaut.” – Picasso sagt: “Sie ist aber sehr klein, nicht wahr, und auch sehr flach.”

Von ehemaliger Sprache

Beim Mitteldeutschen Rundfunk werden Autos pilotiert, woanders die Kinder bespaßt. Mit Lachgas. Die Tagesthemen kennen ehemalige NS-Opfer (Minute 21:37) und quasi jeder die ehemalige DDR (sie hat es sogar bis zur Bezeichnung einer Bundesbehörde geschafft). Aber wer kennt ein ehemaliges Drittes Reich, eine ehemalige Weimarer Republik, einen ehemaligen Zweiten Weltkrieg oder einen ehemaligen Kalten Krieg? Niemand. Und zurecht. Nur Friedrich Nietzsche kannte schon 1881 die ehemalige deutsche Bildung:

Als die Deutschen den anderen Völkern Europa’s anfingen interessant zu werden — es ist nicht zu lange her —, geschah es vermöge einer Bildung, die sie jetzt nicht mehr besitzen, ja die sie mit einem blinden Eifer abgeschüttelt haben, wie als ob sie eine Krankheit gewesen sei: und doch wussten sie nichts Besseres dagegen einzutauschen, als den politischen und nationalen Wahnsinn.

Am Barren

(Alla donna tedesca)

Deutsche Frau, dich ruft der Barrn,
Denn dies trauliche Geländer
Fördert nicht nur Hirn und Harn,
Sondern auch die Muskelbänder,
Unterleib und Oberlippe.
Sollst, das Hüftgelenk zu stählen,
Dich im Knickstütz ihm vermählen.
Deutsches Weib, komm: Kippe, Kippe!

Deutsche Frau, nun laß dich wieder
Ellengriffs im Schwimmhang nieder.
So, nun Hackenschluß! Und schwinge!
Schwinge! Hurtig rum den Leib!
O, es gibt noch wundervolle
Dinge. Rolle vorwärts! Rolle!
Rolle rückwärts, deutsches Weib!

Deutsche Jungfrau, weg das Armband!
In die Hose! Aus dem Rocke!
Aus dem Streckstütz in den Armstand,
Nun die Flanke. Sehr gut! Danke!
Deutsches Mädchen – Hocke, Hocke!

Mußt dich keck emanzipieren
Und mit kindlichem “Ätsch-Ätsche”
Über Männer triumphieren,
Mußt wie Bombe und Kartätsche
Deine Kräfte demonstrieren.
Deutsches Mädchen – Grätsche! Grätsche!

Joachim Ringelnatz, aus: derselbe, Turngedichte, Berlin 1974 [1923], S. 16

10. August: Führung Friedhof Columbiadamm

Am Sonntag, den 10. August, 11 Uhr, findet wieder eine Führung über den Friedhof Columbiadamm (Berlin) mit mir statt (weitere Termine: 7. September und 12. Oktober). Interessenten werden gebeten, sich unter der Nummer (030) 6809-2535 beim Museum Neukölln anzumelden. Treffpunkt ist der Haupteingang des Friedhofs (Columbiadamm 122). Dauer: etwa 2 Stunden, Kostenpunkt: 5,- €, ermäßigt 3,50 €, weitere Informationen hier (ganz unten).

Die Besessenen

I

Das also ist die Kulturhöhe, die wir erreichten: Hunderttausende, die gesündesten, wertvollsten und wertevollsten Kräfte, zittern, daß ein Ungefähr, ein Wink der Regierer Europas, eine Böswilligkeit oder eine sadistische Laune, ein Cäsarenwahn oder eine Geschäftsspekulation, ein hohles Wort oder ein vager Ehrbegriff, sie morgen aus ihrem Heim jagt, hinweg von Weib und Kind, hinweg von Vater und Mutter, hinweg von allem mühselig Aufgebauten, in den Tod. Der irre Zufall kann heute, kann morgen, kann jede Minute rufen, und alle, alle werden kommen. Der Not gehorchend – aber gehorchend. Anfangs werden sie heulen, da sie ihr bißchen Erdenglück zusammenbrechen sehen, – bald jedoch werden sie, wenn auch nicht mit ganz sauberer Unterwäsche, vom allgemeinen Taumel besessen sein und besinnungslos morden und ermordet werden.

II

Es ist dumm, ein Wort der Vernunft zu sprechen, wenn die Stunde der Vernunft nicht da ist. Heute Manifeste zu schreiben, Resolutionen für den Frieden zu fabrizieren, nichts Zweckloseres gibt es, nichts Belangloseres. Und wenn die internationale Sozialdemokratie jetzt phrasentoll die “Schmach des Krieges brandmarkt”, wo die Genossen sich vielleicht schon zum Marschieren rüsten, sollte man die Führer auslachen oder auspeitschen. Denn allein die Pflichtvergessenheit armseliger Mandatsschacherer ist schuld, daß die Völker Europas noch heute (wie vor 50 Jahren) vor der Möglichkeit eines Weltbrandes zu bangen haben. Wäre die bombastisch quasselnde Viermillionenpartei nicht jahrzehntelang nationalistisch gedrillt worden, wir könnten heute jedes Kriegsgeheul heiter hinnehmen.

III

Möglich, daß die Gefahr, zu neun Zehntel durch gewissenlose Preßpiraten genährt, noch diesmal vorübergeht. Wenn diese Zeilen im Druck erscheinen (ich schreibe sie den 27. Juli im extrablattlosen Ilsenburg), ist das große Massenmorden vielleicht schon wieder vertagt worden. Wir werden dennoch keinen Anlaß zum Jubeln haben: das Bewußtsein bleibt: es kann jede Minute eine neue Gefahr kommen, der Chauvinismus ist die ständige Lebensgefahr der Menschheit. Er, allein er, kann über Nacht aus Millionen Vernunftswesen Besessene machen: dieser Gedanke muß uns wachhalten, auch wenn die Gefahr sich schnarchend stellt.

IV

(Was Deutschland, “realpolitisch” gesehen, von einem Weltkrieg zu hoffen, zu fürchten hat, diese Frage geht nur “Patrioten” an. Unsere Patrioten mögen sich damit abfinden, daß Preußen durch seine Polenpolitik dem Zarismus einen wertvollen Verbündeten gewaltsam aufdrängte, daß Schleswig und Elsaß-Lothringen so wenig Gelegenheit fanden, schwarz-weiß-rot lieben zu lernen.)

Franz Pfemfert in: Die Aktion, Nr. 31, Berlin, 1. August 1914, Sp.671f.

Titelblatt der Vossischen Zeitung, des Vorwärts und der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung vom 1. August 1914

Subskriptionsaufruf

Die beerdigte NationDer Karin Kramer Verlag Berlin und ich rufen gemeinsam zur Subskription für mein Buch Die beerdigte Nation›Gefallenen‹-Gedenken von 1813 bis heute auf.

Es wird mit zahlreichen farbigen und schwarzweißen Abbildungen im Format 16 x 24 cm und einem Umfang von etwa 160 Seiten voraussichtlich im Oktober 2008 erscheinen.

Der Subskriptionspreis beträgt 20,- € (zzgl. 2,50 € Versandkosten, Ladenpreis: 24,80 €). Außerdem bietet der Verlag eine auf 25 Exemplare begrenzte, numerierte Vorzugsausgabe mit limitiertem Handabzug (Vintage Print) des Titelbilds (20 x 30 cm, siehe links) zum Preis von 35,- € an (später: 49,- €).

Begleitend zum Buch ist seit heute eine Website online, die einige Eindrücke davon gibt und es ergänzt. Zudem ist mit diesem Eintrag die Kategorie Die beerdigte Nation in diesem Blog eingerichtet, unter der alle zukünftigen das Buch betreffenden Einträge abgelegt werden.