19. Februar

  1. Vor 75 Jahren: Avrom Sutzkever in Deutschland
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  14. 6. März 1946

[den opfern und überlebenden von hanau gewidmet]

***

19. Februar:

Die Straße vom Erholungsheim zum Flughafen in Minsk ist verschneit. Unser Auto kommt kaum von der Stelle. Man ruft einen Trupp Deutsche heraus. Sie stapfen im Schnee und schaufeln für uns den Weg frei. Wir fliegen weiter. Der Himmel, eben noch sonnig, ist nun, so scheint es, wolkenverhangen. Das Flugzeug fliegt in drei Kilometern Höhe. Dann lässt es sich weiter hinab. Die beschlagenen Scheiben beginnen ein wenig zu tauen. Ich sehe, wie die Landschaft anfängt sich zu verändern. Wir fliegen über Deutschland. Die Dörfer — rote, zweistöckige Gebäude. Das Flugzeug fliegt nun sehr bodennah: in jedem Dorf — eine rote Backsteinkirche im mittelalterlichen Stil. Alles ist rot, vollgesogen mit unserem Blut. Die Landschaft ist eine künstliche. Nirgends naturbelassener Wald, alles abgegrenzt. Rechteckig.

Wir landen in Landsberg. In Berlin herrscht Sturm. Landsberg — eine große, weitläufige Stadt. Sie gehört jetzt zu Polen. Die polnische Sprache klingt auf dem deutschen Boden für mich etwas eigenartig. […]

Wir fahren mit Autos nach Berlin. 70 Kilometer vor Berlin, in Küstrin, liegt die polnische Grenze. Man kontrolliert uns. Wir fahren weiter. Schon sind wir in Herzfelde. Ein Vorort von Berlin. Wir gehen in ein Wirtshaus. Eine blonde deutsche Bestie, mit einem falschen, ekelhaft-aufreizenden Lächeln, bringt uns Bier. Sie heißt Frau Schulze. In der Nähe spielt ein dreijähriges Kind mit einer Puppe. Die Dreijährige ist bereits eine deutsche Frau, mit allem was dazugehört. Die Augen sind hasserfüllt, als stieße aus ihnen ein Schlachtmesser hervor. Wie viele jüdische Kinder sind verbrannt und erstickt worden beim Lächeln und mit der Hilfe von solchen kleineren und größeren Schulzes!

Nacht. Berlin. Gerade erst war es, dass hier die braune Pest wütete. Im Ghetto konnte ich mir kaum vorstellen, je diesen Boden zu betreten. Wir fahren in die sowjetische Zone. Nach einem Bankett bringt man uns ins Hotel. Wie höflich die Deutschen um uns sind! Die Bedienstete bringt mir ein Kissen aufs Zimmer, ihr eigenes Kissen, wie sie sagt, denn es fehlt an Bettzeug.

In der Küche des Hotelzimmers hängt ein Teller mit einer charakteristischen deutschen Aufschrift:

Der größte Schatz
für einen Mann
ist die Frau
die kochen kann.

Und oben — eine große Aufschrift: Die Sonne mit uns, als hätten die Deutschen im Voraus geahnt, dass hier eine Zone sein wird — eine sowjetische, eine amerikanische und so weiter. Ich falle aufs Bett. Den Tränen nahe.

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